Insektenwissen

Nektarräuber: Wie Bienen und Hummeln Pflanzen ausbeuten

Normalerweise sind Pflanzen und Insekten aufeinander angewiesen. Sie tauschen energiereichen Nektar gegen Bestäubung und unterstützen sich so gegenseitig. In einigen Fällen nutzen die Tiere diese Beziehung aber aus und begehen "illegalen" Nektarraub. Wir erklären, was es damit auf sich hat und woran man den Raub an der Pflanze erkennt.

Biene beim Nektarraub
Beim Nektarraub beißen oder stechen die Insekten seitlich in den Blütenkelch, um so direkt an den Nektar zu kommen © coniferconifer - Flickr | CC BY 2.0
Inhaltsverzeichnis

Nektar gegen Bestäubung

Im heimischen Garten erfreuen sich Gartenfreunde und Hobbygärtner an den unterschiedlichsten Pflanzen und ihren schönen Blüten. Der Grund für die große Auswahl und die vielseitigen Variationen findet sich in einer Beziehung zwischen Gewächsen und Insekten, die sich gegenseitig unterstützen. Denn beide haben sich im Laufe der Evolution über mehrere Jahrmillionen hinweg aneinander angepasst.

Der Vorteil der gegenseitigen Beziehung liegt auf der Hand: Die Insekten dienen den Pflanzen als Bestäuber und die Gewächse dienen den Tieren als energiehaltige Futterquellen. So produzieren viele Blühpflanzen Nektar, den Insekten wie Bienen oder Hummeln als eine Art zuckerhaltige Belohnung erhalten. An die begehrte Belohnung gelangen die Tiere jedoch nur, wenn sie in die Blüten klettern. Dabei nehmen sie die Pollen der jeweiligen Pflanze auf und verteilen diese auf allen anderen Blüten, die sie auf der Suche nach Nektar besuchen.

Auf diese Weise nutzen Pflanzen unter anderem Bienen und Hummeln als Bestäuber, die ihre Pollen über große Distanzen verteilen. Die Verteilung erfolgt dabei viel genauer, als es durch den Wind möglich wäre. Im Gegenzug erhalten Hummeln und Co. energiehaltige Nahrung und ein abwechslungsreiches Futterangebot, dass die unterschiedlichen Blühpflanzen bereithalten.

Wie nutzen Insekten Pflanzen aus?

Angefressene Blütenkelche durch Nektarräuber
Nektarraub lässt sich vor allem an kleinen Löchern an der Blütenbasis erkennen © MurielBendel - Wikimedia | CC BY-SA 4.0

Die Beziehung zwischen Gewächsen und Insekten beruht auf ihrer Gegenseitigkeit und lässt beide Seiten durch die gemeinsame Interaktion profitieren. Doch hin und wieder nutzen einige Tiere die Pflanzen lediglich aus. In diesem Fall ist die Rede von "Nektarraub", den Bienen und Hummeln begehen, um ihren Teil der "Vereinbarung" nicht erfüllen zu müssen.

So rauben einige Arten den Nektar aus einer Blüte, ohne aber die Pollen einzusammeln und zu verbreiten. Statt in die Blüte hineinzuklettern, beißen die Insekten in der Nähe der Nektarquelle ein rundes oder halbrundes Loch in die Pflanze. Während einige Blütenkelche für Bienen mit kurzem Rüssel unerreichbar sind, gelangen sie durch das Loch mühelos an die energiereiche Nahrung. Indem sie den Nektarraub begehen, nutzen sie die Pflanze einseitig aus.

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An welchen Pflanzen lässt sich Nektarraub feststellen?

Nektarraub lässt sich an verschiedenen Pflanzenarten beobachten. Häufig verfügen diese über tiefe Blütenkelche, die nicht allen Hummel- und Bienenarten zugänglich sind. Zu den betroffenen Pflanzen gehören zum Beispiel das Echte Leinkraut (Linaria vulgaris), Fuchsien (Fuchsia), die Rote Lichtnelke (Silene dioica) und das Tränende Herz (Dicentra spectabilis).

Bereits Charles Darwin beobachtete Bienen und Hummeln, wie sie Pflanzen beraubten. Er beschrieb den Nektarraub insbesondere an den Blüten der Ackerbohne (Vicia faba) und erwähnte auch Azaleen und das Geißblatt (Lonicera caprifolium), die vor Nektardieben ebenfalls nicht sicher waren.

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Welche Insekten rauben Nektar?

Nektardiebe an Blüten
Vor allem Bienen, Hummeln und Wespen werden häufig zu Nektardieben an Blüten © Alvesgaspar - Wikimedia | CC BY-SA 3.0

Beim Nektarraub lässt sich zunächst zwischen einem primären und einem sekundären Raub unterscheiden. Zu den primären Räubern zählt unter anderem eine kurzrüsselige Hummelart, die Dunkle Erdhummel (Bombus terrestris). Da sie aufgrund ihres kurzen Rüssels nicht auf die herkömmliche Weise an den zuckerhaltigen Nektar gelangt, beißt sie kurzerhand ein sogenanntes Raubloch in den Blütensporn.

Die kurzrüsselige Sandbiene begeht ebenfalls einen primären Nektarraub, indem sie bevorzugt die Kelchröhren an Platterbsen (Lathyrus) und Wicken (Vicia) aufschlitzt. Die Holzbiene, auch ein primärer Nektarräuber, beißt hingegen kein Raubloch in die ausgewählte Pflanze. Stattdessen verwendet sie ihren starren Rüssel und harpuniert die Kronröhren, um an die energiereiche Nahrungsquelle zu gelangen.

Ein Beispiel für sekundären Nektarraub bietet unter anderem die Honigbiene (Apis). Im Gegensatz zu Hummeln oder der Sandbiene besitzt sie keine Chitinzähnchen an ihren Mandibeln und kann das zähe Pflanzengewebe daher nicht zerbeißen. So gelangt sie nur auf "illegale" Weise an den Nektar, indem sie die Raublöcher der primären Räuber verwendet. Weitere sekundäre Nektardiebe sind Ameisen, die ebenfalls aus den bereits vorhandenen Raublöchern trinken.

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Welche Nachteile haben Pflanzen durch Nektarraub?

Pflanzen produzieren Nektar, um Insekten anzulocken und diese für die Bestäubung ihrer Blüten zu "belohnen". Rauben die Kerbtiere nun den Nektar, ohne die Blüte dabei zu bestäuben, reduziert sich die Anzahl der produzierten Samen und die Ausbreitung der Pflanze wird gehemmt.

Da die Blüten durch den Raub weniger Nektar enthalten, wirken sie auf andere Insekten weniger attraktiv und werden von "ehrlichen" Bestäubern kaum besucht, sodass sich die Bestäubung zusätzlich reduziert. Allerdings laden vorhandene Raublöcher mehr Artgenossen ein, um den Nektar als Nahrung zu nutzen. So ergibt sich eine größere Insektenvielfalt, die die Pflanze zwar anlockt, von der sie jedoch nicht durch Bestäubung profitiert.

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Nutzen Pflanzen auch Insekten aus?

Auch einige Gewächse halten nichts vom gegenseitigen Geben und Nehmen und belohnen Bienen und Hummeln nicht für die Bestäubung ihrer Blüten. Einige Orchideenarten produzieren beispielsweise keinen Nektar, wodurch die Pflanze Energie spart, und dienen Insekten daher nicht als Nahrungsquelle. Trotzdem locken sie die Bestäuber durch ihre auffälligen Blüten an, die dadurch die Pollen einsammeln und weitertragen. Da die Pflanze von der Bestäubung durch die Insekten profitiert, nutzt sie diese einseitig aus.

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THEMEN:   Bienen Blumen Insekten

Autor Jennifer Nagel
Über die Autorin
Jennifer Nagel
Nach einem redaktionellen Praktikum entdeckte Jennifer ihre Liebe zur Sprache und begann ein Studium zum Werbetexter und Konzeptioner. Sie arbeitet als freie Redakteurin und Lektorin und bereichert unser Magazin seit 2021 mit ihrem umfassenden Gartenwissen.
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