Flechten an Bäumen: Was hat es damit auf sich?
Was sind Flechten?
Bei Flechten (Lichen) handelt es sich um eine Symbiose aus einem oder mehreren Pilzen (Mykobionten) und Algenpflanzen (Photobionten), die sich gegenseitig versorgen und somit gleichermaßen voneinander profitieren. Pilze können als chlorophyllfreies Exemplar keine lebensnotwendigen organischen Stoffe wie Zucker oder Stärke produzieren. Dazu verhelfen ihnen die Algen, welche beispielsweise aus Kohlendioxid und Wasser diese Substanzen herstellen können und den Pilzen zur Verfügung stellen. Im Gegenzug sorgen die Pilze für die Befestigung des Algengewebes an Untergründen und liefern Wasser sowie Mineralstoffe an die Algen.
Flechten werden den Pilzen (Fungi) zugerechnet und gelten dort als eigene Lebensform, weshalb sie keine Pflanzen sind. Die Wissenschaft von Flechten ist die Flechtenkunde oder Lichenologie.
Wo kommen Flechten vor?
Flechten fühlen sich in jeder Klimazone wohl - von der arktischen Tundra, über gemäßigte Klimazonen wie in Mitteleuropa, bis hin zu tropischen und subtropischen Gebieten. Sie wachsen vor allem dort, wo eine hohe Luftfeuchtigkeit und viel Regen vorhanden sind. Da ihnen selbst keine Wasserspeicherung möglich ist, sie die Feuchtigkeit aber zum Überleben und Vermehren benötigen, sind sie auf diese Faktoren angewiesen.
Welche Untergründe bevorzugen Flechten?
Flechten bilden sich auf verschiedenen Untergründen, wie Erdböden, auf Steinen und auf Pflanzen. Bei Letzterem sind sie am häufigsten an den Rinden von Nadel- und Laubbäumen zu finden. Hier bevorzugen sie insbesondere Pappeln, Eschen sowie Obstbäume, die über eine basenreiche Rinde verfügen. Gern befallen sie geschwächte Bäume, ganz gleich, ob krank oder alt. Im geschwächten Zustand besitzen diese weniger Abwehrkräfte und die Flechten können sich besser sowie langfristig ausbreiten.
Wie sehen Flechten aus?
Das hängt von der Flechtenart ab. Es gibt insgesamt drei Oberkategorien:
- Blatt- und Laubflechten: flächige und blattartige Form, liegt locker auf dem Untergrund auf
- Krustenflechten: dichte Verwachsung mit Untergründen
- Strauchflechten: strauchartiges Wachstum mit Verästlungen
Farblich können sie sich von Weiß, leuchtendem Gelb, kräftigem Orange, Rosa- und Rottönen über Blau- und Grün-Mixe bis hin zu unterschiedlichen Grau- und Braunnuancen sowie tiefem Schwarz erstrecken.
Können Flechten als Bioindikator dienen?
Da sie als lebendiger Organismus sichtbar auf Umwelteinflüsse reagieren, können Flechten als gute Bioindikatoren im Garten dienen. Das macht sie zu sogenannten Zeigerpflanzen. Bei einem Baumbefall zeigen sie vor allem eine hohe Luftbelastung an. Typische Reaktionen sind beispielsweise die Anlagerung von Stoffen und veränderte Lebensfunktionen.
Entdecken Sie Flechten an einem Ihrer Bäume, können Sie zudem davon ausgehen, dass dieser geschwächt ist. Im Bedarfsfall lassen sind dann Maßnahmen zur Stärkung zügig einleiten. Das ist vor allem von Vorteil, wenn die Schwächung auf Erkrankungen oder einen Schädlingsbefall zurückzuführen ist.
Wie schädlich sind Flechten für Bäume?
Flechten fügen Bäumen keinerlei gesundheitlichen Schäden zu. Im Gegenteil, sie dienen als natürlicher Schutz gegen schädliche Pilz- und bakterielle Infektionen. Allerdings können sie Knospen überwuchern und so eine Blüte verhindern.
Wie wirken sich Flechten auf die Obstbaum-Erträge aus?
In der Regel nehmen Flechten keinen Einfluss auf die Früchte, deren gesunde Entwicklung oder die Ertragsstärke. Sie breiten sich auch nicht auf die Früchte aus, sodass diese ungenießbar würden. Flechten schreiten im Wachstum maximal bis auf stärkere Äste vor, bleiben aber hauptsächlich in Stammnähe und von Früchten fern. Da sie dem Baum insgesamt nicht schaden, sind auch keine Versorgungsprobleme der Früchte zu erwarten, aus denen sich kleinere Exemplare bilden würden oder es zu einem frühzeitigen Abfall kommen könnte.
Sind Flechten für Menschen giftig?
Für Menschen sind Flechten nicht giftig. Dennoch können sie bei empfindlichen Personen im Falle eines Kontakts Allergien auslösen. Über leichte Hautreizungen geht es meist nicht hinaus. Asthma-Patienten könnten unter Umständen eine geringfügige Verschlechterung der Atmung bemerken, wenn sie sich länger in der unmittelbaren Nähe von Flechten aufhalten. Der Verzehr von Flechten gilt für Menschen als ungefährlich.
Es gibt sogar Arten, die Wildtieren als Futter dienen, wie die Rentierflechte (Cladonia rangiferina). Diese kommt am häufigsten in trockenen Kieferwäldern vor. Manche Steinflechten werden in Asien sogar speziell gezüchtet und als Heilmittel eingesetzt. Dennoch sollte ein Verzehr nach Möglichkeit vermieden werden, wenn nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, ob es eine Baumflechte ist oder sich darin noch andere gesundheitsschädigende Stoffe oder Lebewesen befinden.
Sind Flechten giftig für Tiere?
Was für den Menschen als ungiftig gilt, kann für Tiere bei Verzehr zum Tode führen. Das ist der Fall bei der Wolfsflechte (Letharia vulpina). Sie gehört zu den Strauchflechten, ist zitronengelb und weist eine sparrige Verzweigung auf. Sie beinhaltet die Vulpinsäure, welche für Tiere als stark giftig eingestuft ist.
Der Wolfsflechte wurde das Gift früher extra zur Tötung von Füchsen und Wölfen entzogen. Todesfälle bei Hunden oder Katzen sind zwar bisher nicht bekannt, aber sicherheitshalber sollten Sie Ihre Haustiere davon fernhalten oder im Idealfall Wolfsflechte nach Erkennung zügig entfernen und sicher entsorgen.
Für welche Tiere bieten Flechten Nahrung?
Es gibt einige Flechten, die als Tiernahrung dienen und an denen sich Rentiere, Waschbären und Murmeltiere gern zu schaffen machen. Sie werden überkategorisiert als "Rentierflechten" bezeichnet. Allerdings ist diese Art nicht als typische Baumflechten zu finden.
Die Cladonia rangiferina wächst eigentlich nur am Boden. Da sie allerdings gern in lichten Wäldern und unter Sträuchern ansässig wird, kann es vorkommen, dass sie sich auch an unteren Baumstämmen in Bodennähe ausbreitet. Gleiches gilt für die Neigende Strauchflechte (Cladonia arbuscula) sowie die Alpen-Rentierflechte (Cladonia stellaris). Sie stellen eine wichtige Nahrungsquelle vor allem für die Futtersuche im Winter dar.
Sollten Flechten von Bäumen entfernt werden?
Eine Entfernung von Flechten ist nicht zwingend erforderlich, wenn junge und kräftige Bäume betroffen sind. Wenn eine Überwucherung droht und die Stammpflege von älteren Obstbäumen erforderlich wird, ist das Entfernen allerdings angeraten.
Wie lassen sich Flechten am besten entfernen?
Am einfachsten ist es, die Flechte samt Borke dort abzuziehen, wo sie locker sitzt. Gerade dieser Bereich ist vor allem für geschwächte und ältere Bäume wichtig, da sich hier gerne Schädlinge wie Frostspanner oder Apfelwickler im Winter einnisten.
Sitzt die Rinde fest, kann ein Flechtenbefall in der Ausbreitung eingeschränkt werden, indem Sie diese mit einem Messer oder ähnlichem Werkzeug abkratzen. Passen Sie auf, dass Sie die Borke dabei nicht anschneiden und verletzen. Lässt sich die Flechte nicht einfach abschaben, hilft das mehrmalige Einsprühen mit Wein- oder Obstessig. Auch die Anwendung eines Hausmittel-Rezepts löst die Flechten effektiv auf:
- Zehn Liter Wasser zum Kochen bringen
- 20 Gramm Natron hinzufügen und auflösen
- Mixtur in Sprühbehältnis umfüllen und nach Abkühlung auf die Flechten spritzen
- Mehrmals täglich wiederholen
Sterben Flechten an Bäumen auch von alleine ab?
Teilweise ja, wenn es zu verbesserten Umwelt- und Lebensbedingungen für den einen oder anderen Part der Symbiose kommt. Findet beispielsweise der Pilz einen vorteilhafteren Zucker- und Stärkegeber, zieht er sich aus der "Lebensgemeinschaft" zurück. Da die Alge ohne den Pilz aber keinen Halt und keine ausreichende Feuchtigkeit erhält, stirbt sie ab. Betroffene Bäume werden in der Folge flechtenfrei.
Flechten sterben auch ab, wenn sie viele Schadstoffe aus der Luft aufgenommen haben. Da sie über kein Ausscheidungssystem verfügen, verbleiben die Schadstoffe und sammeln sich, bis die Flechten nicht mehr lebensfähig sind und eingehen. Eine Regeneration ist nicht möglich.
Welche Flechtenarten wachsen an Bäumen?
Zu den in Deutschland am häufigsten zu sehende Flechtenarten zählen:
- Baummoos (Pseudevernia furfuracea)
zählt zu den Strauchflechten - Bartflechte (Usnea barbata)
gedeiht an Ästen und Stämmen Fichten und Lärchen - Blasenflechte (Hypogymnia physodes)
häufiges Auftreten an Nadel- und Laubbäumen mit sauren Borken, wie Birke oder Eiche - Echte Becherflechte (Cladonia pyxidata)
häufigste Flechtenart der Cladonia-Gattung bevorzugt Bodenwuchs, kommt aber auch auf Totholz und an Bäumen vor - Eichenmoos / Pflaumenflechte (Evernia prunastri)
zählt zu den Strauchflechten, bevorzugen saure Laub- und Nadelbäume - Gewöhnliche Gelbflechte (Xanthoria parietina)
aktuelle Ausbreitung, gern an Bäumen im Flachland - Gewöhnlicher Baumbart (Usnea filipendula)
in Deutschland stark gefährdete Flechtenart - Wolfsflechte (Letharia vulpina)
für Tiere giftig, wächst an Nadelbäumen
Katalin Littmann
Ich habe ein Ginster. Sehr viele rundförmige Flechten haben dieses Jahr das ganze Pflanze überwuchert. Ich kann die entweder "abziehen" oder drehen bis sie weg sind. Aber es ist sehr viel Arbeit. Gibt's eine Methode die effizienter ist und wird die Flechte wieder kommen? Ich habe Angst, dass die Pflanze nächstes Jahr nicht mehr blühen wird.
Danke für Antwort
Antwort von Romina Seilnacht
Hallo Katalin, in der Regel schaden Flechten ihren Wirtspflanzen nicht und man entfernt sie in erster Linie aus ästhetischen Gründen. Bei den vielen feinen Ästen eines Ginster ist das natürlich sehr aufwändig. Hast du schon versucht, die Flechten mit Essig oder dem Hausmittel einzusprühen? Wenn sie feucht sind, lassen sie sich meist leichter entfernen. Solange die Flechten ausreichend "Nahrung" finden, werden sie aber wahrscheinlich immer wieder kommen.
Renato Rafaniello
Hallo Romina,
Habe eine ca. 18 jährige Albizia, hat in alln den Jahren wundervoll geblüht, jedoch die letzten 2 Jahre hat fast kein Laub und Blühten
Hat aber Flechten am Stamm und Äste.
Kann das vielleicht der Grund sein?
Für eine Antwort bin ich dir sehr dankbar.
Beste Grüsse Renato
Antwort von Romina Seilnacht
Hallo Renato, vielen Dank für deine Frage.
Der Flechtenbefall ist sicher nicht der Auslöser für das nachlassende Laub und die fehlende Blüte deiner Albizia. Der Seidenbaum stammt ursprünglich aus Asien und ist nicht sonderlich langlebig. Meist wird er nur 10 bis 20 Jahre alt. Daher gehe ich eher davon aus, dass deine Albizia an Altersschwäche leidet, so leid es mir für dich tut.
Bettina Schikorra
Hallo,
ich habe heute mit Entsetzen festgestellt, dass sich der Flechtenbewuchs bei uns im Garten ungehemmt ausbreitet und inzwischen nicht nur die kleinen Apfelbäume und einen Kirschbaum befallen hat, sondern u.a. auch Ziersträucher, Lavendel und Hibiskus. Auch Ginster und Zaubernuss sind betroffen. Teilweise sind die Äste schon abgestorben. Das betrifft hauptsächlich den Vorgarten, von dem ich weiss, daß die Bodenqualität schlecht ist, breitet sich aber jetzt auch im hinteren, eigentlich fruchtbaren Teil aus. Ich werde jetzt dann mal die empfohlenen Hausmittel ausprobieren und hoffe, dass ich einiges retten kann. Aber diese plötzliche 'Invasion' überrascht mich sehr und von harmlos kann hier leider nicht die Rede sein. Ebensowenig übrigens wie von übermäßigen Regenfällen hier in der Region in den letzten Jahren. Daher bin ich etwas ratlos über die Ausmaße...
Antwort von Romina Seilnacht
Eine erhöhte Luftfeuchtigkeit begünstigt natürlich die Ausbreitung, die meist schleichend vonstatten geht. Da Flechten die Pflanzen nur selten schädigen, müssen Sie nicht grundsätzlich dagegen vorgehen. Bei einer großflächigen Ausbreitung im Garten kann es aber eine Frage der Optik sein, ob man die Flechten entfernen möchte oder nicht.
Abgestorbene Äste sollten Sie am besten direkt abschneiden und in der Biotonne entsorgen. Ansonsten könnten Sie noch versuchen, je nach Stärke des Befalls, die eingesprühten Flechten mit einer Bürste sanft abzubürsten. Letztendlich ist hier leider viel Handarbeit erforderlich, wobei wirklich nur eingegriffen werden muss, wenn die Pflanzen selbst darunter leiden.
beb
überall wo bald die blätter spriessen sollten, ist unser ginkgo (5 jährig) mit gelbflechten überzogen. handlungsbedarf?
Antwort von Romina Seilnacht
In den wenigsten Fällen ist ein Entfernen der Flechte wirklich notwendig. Vor allem junge Pflanzen haben meist ausreichend Kraft, um sich mit neuen Trieben dagegen durchzusetzen. Zumal die Entfernung sehr vorsichtig erfolgen muss, um nicht mehr Schaden anzurichten, als es dem Ginkgo letztendlich hilft.
ursulawally
Ich finde Ihren Beitrag sehr sehr gut. Ihre Zustimmung vorausgesetzt, teile ich ihn. Auch die Fotoauswahl. Danke für Ihre Arbeit!!!
Antwort von Romina Seilnacht
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