Wundpflege bei Gehölzen: Wie sinnvoll ist ein Wundverschluss?
Baumeigene Wundheilung fördern
Im Vergleich zu Mensch und Tier können Bäume und Sträucher keine verletzten oder abgestorbenen Zellen reproduzieren. Die Wundheilung erfolgt durch ein entsprechendes Wachstum: Am Wundrand beginnend bildet sich eine Überwallung, auch Kallusschicht genannt, die zusammen mit der Bildung von neuem Gewebe als natürlicher Wundverschluss dient und das Eindringen von Pilzen und Krankheitserregern vermeidet.
Um nach Schnittarbeiten eine gute Wundheilung zu fördern, gilt es einige Punkte zu beachten:
Werkzeug
Scharfes Werkzeug ist für eine saubere Schnittfläche unerlässlich. Um Quetschungen zu vermeiden, spielt außerdem die Wahl des richtigen Gartengeräts eine entscheidende Rolle. Bis zu einem Astdurchmesser von zwei Zentimetern reicht in der Regel eine Gartenschere aus. Bei größeren Durchmessern empfiehlt sich die Verwendung einer Astschere, Gartensäge oder gar Kettensäge.
Schnittzeitpunkt
Der Schnittzeitpunkt richtet sich nach verschiedenen Faktoren, die unter anderem das Ziel des Schnittes und die Pflanzenart umfassen. Grundsätzlich verheilen Wunden besser, wenn sie während der Vegetationsperiode entstehen. Zu dieser Zeit ist die dünne Wachstumsschicht zwischen Rinde und Holz, das sogenannte Kambium, sehr aktiv und das Gehölz kann Verletzungen schneller schließen. Bei Schnittarbeiten im späten Herbst oder Winter verläuft die Wundheilung langsamer, was die Anfälligkeit für eine Infektion erhöht.
Häufigkeit
Die Heilung großer Schnittwunden nimmt mehr Zeit in Anspruch als die von kleinen. Wird nur selten zurückgeschnitten, fallen die Wundflächen meist größer aus. Grundsätzlich empfiehlt sich deshalb ein regelmäßiger wie moderater Rückschnitt, bei dem idealerweise Wunden mit einem Durchmesser von weniger als fünf Zentimetern entstehen.
Schnittführung
Auch die richtige Schnittführung trägt zur Wundheilung bei. Wichtig ist, dass die Verdickung am Astansatz, der sogenannte Astring, stehen bleibt und nicht verletzt wird. An dieser Stelle entsteht zwar ein Astloch, da sich das innere Holz zersetzt, das Gewebe wird mit der Zeit jedoch durch das Kambium überwallt.
Wundverschluss bei Gehölzen
Haben Sie während der Schnittarbeiten auf scharfe Werkzeuge und eine optimale Schnittführung geachtet, entstehen in der Regel glatte Schnittflächen. Durch ein entsprechendes Wachstum verschließt das Gehölz die entstandenen Wunden selbstständig, ohne dass Sie eine spezielle Wundpflege vornehmen müssen.
Dennoch scheiden sich die Geister, wenn es um den Wundverschluss geht. Entsprechende Mittel wie Baumteer, Dispersionsfarbe und Wachs galten lange als eine unverzichtbare Pflegemaßnahme. In vielen Fällen bewirkten Wundverschlussmittel jedoch das Gegenteil und die behandelten Gehölze erkrankten oder wurden von Pilzen besiedelt.
Der amerikanische Forstwissenschaftler Alex Shigo fand Mitte der 80er Jahre heraus, dass ein künstlicher Wundverschluss Krankheiten und Fäulnis eher begünstigt als vermeidet.
Was spricht gegen Wundverschlussmittel?
Ein künstlicher Wundverschluss schränkt die Selbstheilungskräfte von Gehölzen ein, da er eine zügige Kambiumbildung verhindert. Die künstliche Schutzhaut bildet zudem ein feuchtes Mikroklima, in dem sich Pilzsporen und Keime äußerst wohlfühlen und optimale Bedingungen finden.
Liegen darüber hinaus ausgefranste Wundränder vor, lässt sich ein Wundverschluss nicht gleichmäßig verteilen. Es entstehen feine Risse, durch die Feuchtigkeit unter die Schutzhaut gelangt. In der Folge werden Infektionen begünstigt, die im schlimmsten Fall zum Absterben von Zweigen oder ganzen Bäumen führen können.
Wann sind Wundverschlussmittel sinnvoll?
Während der Wintermonate befinden sich Gehölze in der sogenannten Saftruhe. In der Folge bildet sich bei Schnittarbeiten, die zwischen November und Februar erfolgen, kein Kambium. Ein Wundverschluss kann verhindern, dass die Wundränder bis zum Ende der Saftruhe nicht erfrieren oder vertrocknen. Wichtig ist, dass die Schnittfläche nicht vollständig mit einem Mittel bestrichen wird, sondern lediglich eine Behandlung des Wundrandes in einer Breite von maximal zwei Zentimetern erfolgt.
Neben Schnittwunden können Wundverschlussmittel auch bei oberflächlichen Wunden zum Einsatz kommen, beispielsweise wenn die Rinde durch Rasenmähen oder Wildverbiss beschädigt wurde. Ein Wundverschluss verhindert in diesen Fällen, dass große Rindenflächen vertrocknen. Da die Schutzschicht allerdings schnell abblättert, empfiehlt sich alternativ ein Abdecken der Verletzungen mit einer lichtundurchlässigen Folie. Unter dieser kann sich ein sogenannter Flächenkallus bilden, der eine besondere Form der Wundüberwallung bezeichnet.
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